Gehaltstransparenz in Deutschland: Warum deutsche Unternehmen zögern, Gehaltsangaben zu machen

Die Gehaltstransparenz könnte den Arbeitsmarkt in Deutschland nachhaltig verändern.

Einleitung zur Gehaltstransparenz in Deutschland

Die Diskussion um Gehaltstransparenz gewinnt in Deutschland zunehmend an Bedeutung. Während in einigen Ländern bereits transparente Gehaltsstrukturen etabliert sind, zeigt sich in Deutschland noch Zurückhaltung. Dieser Artikel beleuchtet die Gründe dafür und zeigt auf, wie eine erhöhte Gehaltstransparenz in Deutschland den Arbeitsmarkt verändern könnte.

Gehaltstransparenz in Deutschland

In Deutschland müssen Bewerber oft schon in ihrer Bewerbung angeben, wie viel Gehalt sie erwarten. Für viele fühlt sich das wie ein ungleiches Spiel an, bei dem es weniger um eine faire Bezahlung geht, sondern darum, wer bereit ist, das niedrigste Angebot zu akzeptieren. Es entsteht der Eindruck, dass eher gefeilscht wird, ähnlich wie auf einem Marktplatz, und das meist zugunsten des Arbeitgebers. Besonders in Berufen ohne Tarifverträge nutzen Unternehmen diese Praxis möglicherweise, um Gehälter niedrig zu halten und Kosten zu sparen, ohne dabei den tatsächlichen Marktwert oder die Qualifikation des Bewerbers ausreichend zu berücksichtigen.

Ein weiterer Grund, warum Unternehmen keine Gehaltsangaben machen, ist die Flexibilität, die ihnen dadurch geboten wird. Sie können das Gehalt an die Qualifikationen und die Verhandlungsfähigkeit des Bewerbers anpassen. Unternehmen, die keine festen Tarifverträge haben, sind besonders anfällig für diese Taktik. So können sie die Gehälter niedrig halten, während sie die Produktivität hochfahren.

Historischer Hintergrund bei der Gehaltstransparenz in Deutschland

Die zurückhaltende Haltung gegenüber Gehaltsangaben hat in Deutschland historische Wurzeln. Lange Zeit waren Tarifverträge der bestimmende Faktor für Gehälter, besonders in den großen Branchen wie dem Maschinenbau oder der Chemieindustrie. Auch heute noch sind viele Arbeitnehmer tariflich gebunden, was zu einer relativ starren Gehaltsstruktur führt. Diese Tradition beeinflusst, wie offen über Gehälter gesprochen wird.

Internationale Situation der Gehaltstransparenz

Während in Deutschland Gehälter oft im Verborgenen bleiben, gibt es international deutliche Unterschiede im Umgang mit Gehaltstransparenz. In vielen Ländern wird die Angabe von Gehaltsspannen in Stellenausschreibungen als Standard angesehen. Hier eine Übersicht:


Land Gehaltstransparenz
Norwegen Hoch
Schweden Hoch
Niederlande (Holland) Hoch, Pläne zur Gehaltstransparenz in Arbeit
USA In einigen Bundesstaaten verpflichtend
Kanada In einigen Provinzen verpflichtend
Österreich Gehaltsspannen müssen in Stellenanzeigen angegeben werden
Großbritannien Variiert, keine gesetzliche Verpflichtung
Frankreich Gering
Italien Gering, keine Verpflichtung
Schweiz Gering, keine gesetzliche Verpflichtung
Monaco Niedrig, keine Transparenzregelungen

In einigen Ländern wie Norwegen, Schweden und den Niederlanden ist Gehaltstransparenz bereits fest verankert oder wird aktiv gefördert, teilweise durch verpflichtende Angaben von Gehaltsspannen in Stellenanzeigen. Auch in den USA und Kanada gibt es auf regionaler Ebene Bundesstaaten und Provinzen, in denen Gehaltsangaben in Stellenausschreibungen verpflichtend sind. Österreich geht ebenfalls einen klaren Schritt in diese Richtung, indem es eine gesetzliche Verpflichtung zur Angabe von Gehaltsspannen in Stellenanzeigen eingeführt hat.

Im Gegensatz dazu sind Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien in Bezug auf Gehaltstransparenz noch zurückhaltender. In diesen Ländern gibt es aktuell keine flächendeckende Verpflichtung zur Offenlegung von Gehältern. Hier wird eine Reform auf EU-Ebene notwendig, um mehr Transparenz zu schaffen. Die EU-Verordnung zur Gehaltstransparenz sieht vor, dass Mitgliedsstaaten wie Deutschland und Frankreich bis 2026 entsprechende Regeln umsetzen müssen, um die Gehälter offener zu gestalten und damit auch die Lohngleichheit zwischen Männern und Frauen zu fördern.

Diese Entwicklungen zeigen, dass es in vielen Ländern bereits fortschrittliche Regelungen gibt, während andere auf Reformen der Europäischen Union angewiesen sind, um ähnliche Maßnahmen einzuführen.


Die EU-Verordnung zur Gehaltstransparenz

Die Europäische Union hat im Jahr 2023 eine Richtlinie zur Gehaltstransparenz verabschiedet, die darauf abzielt, das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" umzusetzen und geschlechtsspezifische Lohnunterschiede zu beseitigen. Bis Juni 2026 müssen alle Mitgliedsstaaten diese Richtlinie in nationales Recht umsetzen.

Die Richtlinie sieht unter anderem vor:

  • Verpflichtende Gehaltsangaben: Arbeitgeber müssen in Stellenausschreibungen das Gehalt oder die Gehaltsspanne angeben.
  • Verbot von Gehaltsfragen: Arbeitgeber dürfen Bewerber nicht nach ihrem bisherigen Gehalt fragen.
  • Informationsrechte: Arbeitnehmer haben das Recht, Informationen über die Gehaltsstrukturen im Unternehmen zu erhalten.
  • Berichtspflichten: Größere Unternehmen müssen regelmäßig über geschlechtsspezifische Lohnunterschiede berichten.

Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen zu schließen und für mehr Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.

cityjobs: Gehaltstransparenz in der Praxis

Auf der Jobplattform CityJobs ist es bereits verpflichtend, dass Arbeitgeber in ihren Stellenanzeigen entweder das Jahresgehalt oder den Stundensatz angeben. Diese Regelung schafft eine größere Transparenz für Arbeitssuchende und ermöglicht es ihnen, besser informierte Entscheidungen zu treffen. Für Unternehmen bietet diese Vorgehensweise den Vorteil, gezielter passende Bewerber anzusprechen, die genau wissen, was sie erwarten können.

Vorteile der Gehaltstransparenz

Die Offenlegung von Gehältern bietet viele Vorteile, sowohl für Unternehmen als auch für Arbeitnehmer:

  • Vertrauen: Bewerber schätzen Transparenz und fühlen sich wohler, wenn sie bereits im Voraus wissen, was sie verdienen können.
  • Effizienz: Stellenanzeigen mit Gehaltsangaben führen oft zu gezielteren Bewerbungen, da potenzielle Kandidaten bereits eine klare Erwartung haben.
  • Gleichstellung: Offene Gehaltsangaben tragen dazu bei, Gehaltsungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu reduzieren.

Herausforderungen für Unternehmen

Obwohl die Vorteile klar auf der Hand liegen, stehen Unternehmen auch vor Herausforderungen:

  • Wettbewerbsdruck: Offene Gehaltsangaben könnten zu einem verstärkten Wettbewerb um Talente führen.
  • Interne Gehaltsstrukturen: Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihre Gehaltsstrukturen gerecht und nachvollziehbar sind.
  • Anpassungsbedarf: Es kann notwendig sein, bestehende Gehaltsmodelle zu überarbeiten.

Ausblick auf die Zukunft der Gehaltstransparenz

Mit der kommenden EU-Richtlinie und dem zunehmenden Bewusstsein für faire Bezahlung wird sich die Gehaltstransparenz in Deutschland in den nächsten Jahren wahrscheinlich deutlich erhöhen. Unternehmen sollten sich frühzeitig darauf einstellen und ihre Prozesse anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und attraktive Arbeitgeber für qualifizierte Fachkräfte zu sein.

Fazit

Die Frage, warum deutsche Unternehmen oft keine Gehaltsangaben machen, hat historische und kulturelle Gründe. Gehaltstransparenz könnte jedoch nicht nur den Bewerbungsprozess verbessern, sondern auch das Vertrauen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern stärken. Insbesondere in einem zunehmend globalisierten Arbeitsmarkt könnten Unternehmen, die offen mit Gehaltsangaben umgehen, langfristig einen Wettbewerbsvorteil erzielen.



Quellen:
The EU Pay Transparency Directive - What Employers Need to Know
Equal pay for equal work or work of equal value between men and women - Rules on pay transparency
Navigating the New EU Directive on Pay Transparency

Autor:

Author Image

Christian Hollmann

News-Writer bei Cityjobs.info

Christian hat jahrelang die Welt bereist, in vielen Ländern gearbeitet und dabei viele Kulturen kennengelernt. Seine einzigartigen Erfahrungen aus dieser Zeit verleihen seinen Texten eine besondere Vielfalt und Tiefe.


Teilen auf:

Glossar Arbeit, Beruf & Job – hilfreiche Tipps für Arbeitssuchende und Berufstätige

News, Trends & Tipps vom Arbeitsmarkt und aktuelle Gehälter

  • Arbeitsrecht

Minijobber einstellen: Checkliste

Minijobber richtig einstellen: Leitfaden und Checkliste für Arbeitgeber. Von der Anmeldung der Beschäftigung eines Minijobbers bis zur Abmeldung gibt es einige Vorgaben zu beachten.

  • Arbeitsrecht

Minijobs: So hoch sind die Kosten für Arbeitgeber

Arbeitgeber müssen bei Minijobs Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und weitere Abgaben zahlen - auch wenn diese gering ausfallen. Wie viel genau hängt von der Minijob-Variante ab.

  • Arbeitsmarkt

Job-Futuromat: So sicher ist dein Beruf in der Zukunft

Finde heraus, wie sicher dein Job in der Zukunft ist. Der Job-Futuromat analysiert die Automatisierungswahrscheinlichkeit verschiedener Berufe und zeigt dir, wie du dich vorbereiten kannst.

  • Arbeitsmarkt

Fachkräftemangel bei Ingenieuren: 150.000 offene Stellen

Aktuell gibt es auf jeden suchenden Ingenieur 3,3 offene Stellen. Erfahre, warum Elektrotechnik und Bauingenieure besonders gefragt sind und wie die regionalen Unterschiede den Arbeitsmarkt in Deutschland prägen.

  • Karrieretipps

Die 5 besten Remote-Jobs ohne Berufserfahrung

Erkunde die besten Remote-Jobs, die keine Berufserfahrung erfordern. Starte deine Karriere bequem von zu Hause und starte deinen nächsten Karriereschritt. Ideal für Berufs- und Quereinsteiger!

  • Arbeitsmarkt

Arbeitsmarktprognose 2025: Wie geht es in Deutschland weiter?

Die aktuelle Arbeitsmarktprognose 2025 für Deutschland: Erfahre mehr über Fachkräftemangel, Langzeitarbeitslosigkeit und Jobchancen in Deutschland. Mit Zahlen, Trends und Lösungsansätzen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer.